Dieses jährliche Fest wird durchgeführt von einer aus 18 regionalen Vereinen gegründete Festgemeinschaft, alle Helfer arbeiten ehrenamtlich, und der gesamte Erlös fließt Vereinsarbeit wie zum Beispiel Jugendförderung zu. Mike und ich weichen also auf der Höhe Nürnberg vom geraden Autobahnweg zwischen Frankfurt und München ab, treffen am späten Nachmittag in Steinberg ein, und freuen uns, noch ein Zimmer im Gasthof Frenz zu ergattern. Vor dem Gebäude steht ein Hochzeitsauto, und im großen Saal ist Hochstimmung bei Schlagermusik von einer Live-Band. Weil’s sehr heiß ist, Wechsel in lose Leinenkleidung, „Hüte“ auf und hinunter zum See mit der Marina auf der anderen Seite. Zahlreiche Segelboote sind auch draußen auf dem Wasser, am buschbewachsenen Seeufer kleine Kiesbadestrände, und auf der flachen Hangwiese sonnen sich Badegäste auf Decken. Der Eintritt zum Festzelt ist frei, die Country Band Renegades spielt auf der kleinen Bühne neben dem Eingang, und wir suchen einen freien Platz in ihrer Nähe. Die Renegades singen und spielen sehr konzentriert und sehr sauber. Ich freue mich über alte Songs wie Devil Woman, wundere mich, dass die Texte noch da sind, und die beiden Trompeten bei Ring Of Fire gehen mir unter die Haut. Auf der Tanzfläche vor der großen Bühne am Kopfende des Saales sehe ich zahlreiche Liners in dunklen T-Shirts mit Rückenaufdruck, die zu den Renegade-Songs mühelos passende und mir unbekannte Tänze zu finden scheinen. An einem Tisch in der Nähe der Tanzfläche wedelt ein Fächer von einer bisher unbekannten Dimension, und dahinter dennoch unübersehbar Georg Kiesewetter, der 1. Vorsitzende des Bootscooters e.V., Regensburg. Wir führen seit kurzem einen Mailverkehr zwischen Line Dancer (er, Tanzsport) und „Country-Freak“ (ich, Westernclub-Mitglied mit mangelhaften LD-Kenntnissen) auf meine Initiative hin, weil ich über seine Forumeinträge als Moderator im Line-Dance-Portal trotz aller Angriffe auf meine geliebte Country-Szene lächeln muss, meine Fibel für Anfänger mit Kapiteln zur tanzsportlichen Line-Dance-Szene abrunden möchte und das mangels eigenen Wissens nur mit Unterstützung auskunftsbereiter Insider erreichen kann. Ich gehe zu Georgs Tisch, stelle mich vor, und er begleitet mich zu Mike an unseren Tisch am anderen Ende des Zeltes. Wir sprechen kurz, dann bitte ich Mike, ein Foto von uns zu machen, Georg meint, dass vor der Band der bessere Platz sei, und wir stellen uns mit um die hintere Mitte gefassten Armen auf. Die Band hinter uns beginnt den Chattahoochee, ich beginne mit den Fans, solange Mike den richtigen Blickwinkel fürs Foto sucht und knipst, und bin dann mit den Worten Das wird der einzige Tanz sein, den ich hier kann, sorry, unhöflich weg und auf dem Weg zur Holz-Tanzfläche. Diese wäre wegen ihrer Unebenheiten auch ein Fall für meinen Forum-„Veranstaltungs-TÜV“, und als Georg neben mir die beiden Stomps R und L nach vorne durch zwei leichte Hops ersetzt, muss ich lachen und bin raus, wie jedes Mal, wenn jemand in meiner Nähe was Unerwartetes tanzt.
Um halb Acht beginnt die Vorführung der Bootscooters aus Regensburg mit einer Tanzformation in roten, schwarzen und weißen Farben. Sie tanzt ein Medley, beginnend mit I’m From The Country und 1A Body Rolls. Schon bei der Ansage durch Georg mit Mikro auf der Bühne stehen die Zeltbesucher auf, Kameras und VideoCams werden gezückt, und auch ich fotografiere. Lachende Gesichter, gut unterhaltene Zuschauer, viel Applaus, und die Tänzer gehen in den Umkleidebereich, ziehen sich dort für den nächsten Auftritt um. Apropos Body Roll - für Anfänger und Nichtliners folgender heute telefonisch erhaltener Ausführungstipp: Du stellst Dich in einem Abstand von ca. 10 cm mit dem Rücken zu einer Wand, lehnst den Kopf zurück und an, dann die Schultern und die Rückenwirbel auf der ganzen Länge, während die Knie leicht gebeugt bleiben. Dann pellst Du Dich in umgekehrter Reihenfolge wieder von der Wand ab und hast damit eine komplette Body Roll abwärts und wieder hoch vollzogen. Während sich die nächsten Tänzer umziehen, tanzen diejenigen Bootscooters in Clubshirts, die nicht zu einer der Auftrittsformationen gehören, eine kleine Choreographie unter dem Titel ‚Summertimes’ zu karibisch angehauchten Musikstücken. Wieder begeisteter Applaus, dann die nächste Formation. The Very Best Of Them All (Name einem Song entnommen), Im Medley erkenne ich den Honky Tonk Badonkadonk, We Are The Same, Side By Side, eine Samba, Make It Up und House Of Blue Light, als Nächstes wieder ein Überbrückungstanz der Liners in Club-T-Shirts mit dem Medley Let It Swing, und vor dem Finale eine Interpretation von Hey Big Spender durch einen „Mafioso“ und seine bewundernden Ladies mit Borsaglino und Gehstock. Diese Liners strahlen wie alle ihre Tanzkollegen, das Publikum geht mit, und dann das große Finale mit beeindruckenden rund vierzig Bootscooters auf der Tanzfläche. Mit diesem sehr unterhaltsamen Auftritt mit dem Tanz Hearts And Flowers (den Tanz ohne den Viertelturn und so stets nach vorn zu den Zuschauern lächelnd) zu einem textlich dem Veranstaltungsort ‚Steinberger See’ angepassten Song ‚Pack die Badehose ein’ und ausgestattet mit Badeutensilien verabschieden sich die Bootscooters bei anhaltendem Applaus.
Während zu CD-Musik „social“ getanzt wird, bauen die Dusty Brothers auf der Bühne ihre Instrumente auf und beginnen dann ihr Programm mit einer so dichten Nebelwolke, dass sie auf meinem Foto nicht zu erkennen sind. Wahrscheinlich wird bis zum Einstellen dieses Textes auf meiner HP das Logo der Band angekommen und verlinkt sein, und ich darf behaupten: Die machen GUTE Country-Rock-Musik! Und soweit ich das erkennen konnte, mit einer Fidel und auch sonst echten Instrumenten! Sehr gefallen hat mir auch das Two-Step-Paar, das verhielt, wenn gerade der Weg wg. Line-Dance-Tanzrichtung blockiert war, Figuren dort tanzte, wo gerade viel Platz war, und für das Du Dich gerne „dünn“ machst, weil beide Dich anlächeln. Für Mike und mich ist der Abend allerdings früh zu Ende, weil wir am nächsten Tag ausgeruht für die lange Fahrt sein wollen. Am nächsten Morgen gehen wir noch einmal zum See und Festplatz. 8 Westernreiter (verschiedener regionaler Clubs, einer davon mit Wanderreiter-Station, und wenn Kerstin sich früh genug meldet, kann hier noch der Name genannt werden) reiten gerade von einem kleinen Tipi- und Biwaklager ab. Auf dem Festplatz ist es ruhig, das Zelt voll und still. Es findet ein katholischer Frühgottesdienst statt, der Pfarrer spricht hinter einem kleinen vor der großen Bühne aufgebauten Altar, und ein Jugendblasorchester auf der Bühne spielt die Melodien der gesungenen Kirchenlieder.
Ich warte an einem der Tische draußen auf Mike, der noch einige Fotos vom See machen will. Als keine Bedienung kommt, gehe ich ins Getränkezelt, bestelle ein Wasser, und erfahre, dass während des Gottesdienstes kein Ausschank stattfindet. Ich entschuldige meine hessische Unwissenheit, nach dem Ende des Gottesdienstes mit Kollekte und dem Lied Großer Gott wir loben Dich, einem Applaus (den der Pfarrer auf meine Frage, ob dies nach Gottesdiensten üblich sei, bescheiden als Anerkennung des Jugendorchesters interpretiert) verlassen viele der Gottesdienstbesucher das Zelt und kehren mit an den Ständen draußen gekauften Köstlichkeiten auf den Tellern zum Essen zurück ins Zelt. Schade, denke ich, wenige Frauen tragen Dirndl, aber eine Nette in Tracht erlaubt ein Foto und damit eine Erinnerung. Danke für die gute klassische Country-Musik, Renegades, und für den Country-Rock mit vielen Line-Dance Songs, Dusty Brothers! Der Auftritt der Bootscooters hat uns auch sehr gefallen. Wir haben zum ersten Mal Auftritte in Show-Outfits gesehen. Und da unser Wiederkommen für ein oder zwei Tage nächstes Jahr eine zu weite Fahrt erfordern würde, und als Tipp für die Leser, die die Bootscooters ebenfalls live erleben möchten: Sie tanzen bei den Deutschen Meisterschaften des Bundesverbandes Country Western Tanz im DTV in Flörsheim b. Frankfurt am Main!
- Aber vorher findet ja noch das
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